Volksleiden Knie: So trotzen Sie dem Schmerz

In Deutschland ist die Lebenserwartung seit 1990 um 5,4 Jahre gestiegen und beträgt mittlerweile 83,1 Jahre bei Frauen und 78,2 Jahre für Männer. Trotzdem ist kaum jemand vor einem Verschleiß der Gelenke geschützt: Fast bei jedem Menschen über 65 Jahre lassen sich Anzeichen von Arthrose feststellen – insgesamt 143 Gelenke kann es betreffen.
© Bauerfeind AG - Angelika Allmann

Auch jüngere Menschen sind davor nicht gefeit, Besonders wenn sie ihre Gelenke stark beanspruchen, wie zum Beispiel Leistungssportler. Das Knie ist das am stärksten belastete Gelenk. Obwohl es viel aushalten kann, führen falsche Belastungen zu Verschleiß und Verletzungen. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass die häufigste Form der Arthrose die Kniegelenksarthrose, auch bekannt als Gonarthrose, ist. Fünf Millionen Menschen leiden an einer Kniegelenksarthrose, fast jeder vierte Erwachsene In Deutschland hat arthrotische Veränderungen auch in anderen Gelenken.
 

Was ist das eigentlich – eine „Kniegelenksarthrose“?

Durch ein Gelenk werden Knochen beweglich miteinander verbunden. Knorpel, der zu 65 bis 80 Prozent aus Wasser besteht, federt Stöße ab und verhindert, dass die Knochen aneinander reiben.

Da Knorpel weder über Blutgefäße noch über Lymphbahnen und Nerven verfügt, ist er schmerzunempfindlich. Letzteres erklärt, warum Knorpelschäden oder Knorpeldefekte oft zu spät bemerkt werden oder sogar unentdeckt bleiben. Denn es ist nicht der Knorpel, der schmerzt. Mit dem Schaden einhergehende Prozesse wie Entzündungen oder Schwellungen sind es, die die Schmerznerven reizen. Und zwar dann, wenn durch die fortschreitende Abnutzung und den fehlenden Knorpel die knöchernen Gelenkteile des Ober- und Unterschenkels aneinander reiben und dadurch Gelenkschmerzen und Entzündungen entstehen. Die Gelenkbeschwerden spürt man in der Regel beim Beugen der Kniegelenke, beim Treppensteigen, aber auch im Sitzen oder Liegen. Arthrose ist nicht heilbar, sondern ein chronischer, degenerativer Verschleißzustand, der sich mit der Zeit zunehmend verschlechtert. Dem fortschreitenden Verschleiß kann aber durch eine gesunde Lebensweise, Bewegung und entsprechende Therapien entgegengewirkt werden.


Die folgenden Symptome sind typische Anzeichen von Kniearthrose:

  • Sie verspüren seit einigen Wochen Schmerzen oder Schwellungen im Kniegelenk.
  • Ihr Kniegelenk ist steif, wenn es einige Stunden nicht bewegt wurde.
  • Sie haben Schmerzen beim Treppensteigen oder wenn Sie eine kurze Strecke gehen.
  • Sie hören ein Knacken im Kniegelenk.
  • Sie spüren ein Knirschen, wenn Sie das Kniegelenk bewegen.
  • Sie können das Kniegelenk nicht mehr so weit oder so einfach beugen, wie Sie es bislang gewohnt waren.
  • Sie haben Schwierigkeiten mit alltäglichen Bewegungen, wie z. B. vom Stuhl aufstehen, aus der Badewanne oder aus dem Auto steigen.
  • Beim Sport schmerzt Ihr Knie manchmal so sehr, dass Sie damit aufhören müssen.
  • Sie können aufgrund der Gelenkschmerzen nachts nicht schlafen.


Und jetzt: Sport oder Schonung?

Ständiger Schmerz, kaum Bewegung – chronische Erkrankungen beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich. Wer seine Lebensweise durch arthrosegerechte Bewegung und Ernährung anpasst, kann die Schmerzen reduzieren, sich von Medikamenten unabhängig machen, das Fortschreiten der Kniegelenksarthrose hinauszögern und Operationen verhindern.

Hier sind sich die Experten einig: Sport sollte sein! Wer Schmerzen hat, neigt oft zu einer Schonhaltung und versucht, das Knie möglichst nicht zu bewegen. Genau dies ist falsch. Denn Bewegungsmangel ist einer der Hauptfaktoren für Arthrose. Ideale Sportarten bei Arthrose sind z. B. Wandern, Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen oder Yoga. Vermieden werden sollten dagegen Aktivitäten, die das Kniegelenk belasten, wie beispielsweise zu viel Treppensteigen. Auch Drehungen, schnelle Start-/Stopp-Bewegungen, zu häufiges Gelenk-Beugen, Hinknien, schweres Heben und das Sitzen auf niedrigen Stühlen oder Sofas gefährden das Kniegelenk. Ballsportarten und Sportarten mit hohem Tempo und nicht vorhersehbarem Richtungswechsel, wie zum Beispiel Squash, Basketball, Handball, Fußball und Leichtathletik, sind bei Arthrose ungeeignet.

Auch in den neuen Arthrose-Leitlinien (2014) der internationalen Arthrosegesellschaft OARSI werden zur konservativen Behandlung von Kniegelenksarthrose Bewegung und Muskelaufbau, z. B. Spazierengehen, Tai-Chi, Krafttraining oder Wassergymnastik, empfohlen. Bewegung ist Lebenselixier für den Gelenkknorpel und gut trainierte Muskeln entlasten die Gelenke. Zudem verbessert Sport die Muskelkraft, die Flexibilität und die Beweglichkeit der Gelenke, was ebenfalls zur Schmerzlinderung beiträgt.

Schmerzlinderung ohne Medikamente

Um die Beweglichkeit, Aktivität und Lebensqualität zu erhalten, ist die Schmerzlinderung das A und O in der Therapie. Es gibt viele verschiedene Therapien, um Schmerzen zu lindern und ein aktives Leben zu führen. Eine Therapieform, die klinisch erwiesen wirksam ist und auf Medikamente verzichten kann, sind Knie-Orthesen. Orthesen sind medizinische Hilfsmittel, die den Bewegungsapparat schützen und stützen. Sie werden bei Verletzungen, nach Operationen und bei chronischen Krankheiten eingesetzt, um die Heilung zu fördern und die Mobilität wiederherzustellen. Knie-Orthesen entlasten und stabilisieren das Kniegelenk und reduzieren dadurch signifikant die Schmerzen. In Studien wurde die Wirksamkeit von Orthesen zur konservativen Behandlung von Kniegelenksarthrose bewertet. Die Prüfungen kamen zu dem Ergebnis, dass Orthesen durch die Entlastung dauerhaft Schmerzen lindern, die Gelenksteifigkeit reduzieren, die Medikamentendosierung verringern und die körperlichen Funktionen verbessern. Dadurch können Patienten sich wieder mehr bewegen und sind aktiver, was nicht nur den Gesamtzustand, sondern auch die Lebensqualität verbessert. Nicht zuletzt kann auch der Einsatz von künstlichen Gelenken hinausgezögert werden.

Gesunde Ernährung

Nicht nur Übergewicht und zu wenig oder falsche Bewegung fördern den Gelenkverschleiß, auch ungesunde Ernährung durch tierische und gehärtete Fette, kurzkettige Kohlenhydrate, wie z. B. raffinierter Zucker, oder andere industriell hergestellte Produkte spielen hierbei eine Rolle. Auch gilt es, Übersäuerung im Körper zu vermeiden, bei der sich Schlacken im Körper ablegen, als Risikofaktor für Gelenkentzündungen. Eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung kann die Arthrose zwar nicht stoppen, aber das Fortschreiten hemmen. Die Ernährung umzustellen, ist nicht einfach. Am besten, Sie holen sich ein paar Anregungen in speziellen Arthrose-Kochbüchern, Ernährungsratgebern, Säure-Basen-Kochbüchern oder Rezepten im Internet.

Nahrungsmittel mit positiver Wirkung sind:

  • frisches Obst und Gemüse, Salate
  • magere und fettarme Milchprodukte
  • ungesättigte Fette wie Olivenöl
  • Naturreis, Dinkel und andere ballaststoffreiche Nahrungsmittel
  • Kaltwasserfische wie Tintenfisch, Forelle, Kabeljau und Heilbutt
  • Omega-3-Fettsäure-haltige Fischgerichte mit Makrelen und Sardinen
  • Knoblauch, Zwiebeln, Lauchgemüse entfalten nachweislich knorpelschützende Wirkung
  • basischer Kräutertee oder Teemischungen aus Fenchel, Süßholz, Kümmel, Anis oder Maisbart, grüner Tee mit Zitrone
  • Vitamin A, E und C


dazu im Gespräch mit ...

Herr Dr. med. Tarek Raslan, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie und Sportmedizin

Mittlerweile spezialisieren sich immer mehr Ärzte und Orthopäden auf die sogenannte Arthrosetherapie. einer davon ist der in Berlin ansässige Herr Dr. med. Tarek Raslan.

Mehr Leben:  Mit der Bezeichnung Ihrer Facharztpraxis als „Arthropraxis-Berlin“ weisen Sie schon auf den Hauptschwerpunkt Ihrer Arbeit der Behandlung der Arthrose hin. Welche Tendenzen konnten Sie mit diesem Krankheitsbild bei Ihren Patienten in den letzten Jahren erkennen?

Dr. Tarek Raslan:
Das Grundprinzip unserer Arbeit in der Arztpraxis ist, dass wir uns jedem Patienten mit ganzer Aufmerksamkeit widmen, eine gründliche Anamnese durchführen, seine berufliche Tätigkeit einschätzen können, seine sportlichen Aktivitäten berücksichtigen wollen, sein „biologisches Alter“ einbeziehen und gemeinsam mit dem Patienten weitere Therapiemaßnahmen erörtern und festlegen. Aufgrund meiner mehr als 30 Jahre langen Erfahrung mit mehreren Tausend durchgeführten Operationen stehe ich der Indikation zu einer operativen Therapie sehr kritisch gegenüber und empfehle immer die Operation als letzte Therapiemaßnahme nach Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen. Wir arbeiten nach dem Motto: Wir behandeln kein Röntgen- oder MRT- Bild, sondern einen Menschen.


ML:  Die Kniegelenksarthrose ist die am häufigsten auftretende Form der Arthrose. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ursachen für dieses Krankheitsbild?

Dr. Tarek Raslan:
Häufige Ursache sind Überlastungen durch Übergewicht, aber auch erbliche Faktoren spielen eine Rolle. Jüngere Menschen kann es auch treffen, besonders wenn sie durch viel oder einseitigen Sport ihre Gelenke stark beanspruchen. Es ist aber normal, dass sich im Laufe der Jahre der Knorpel immer weiter abnutzt und somit sich die Gelenkflüssigkeit verringert. Daraus folgt natürlich ein Verlust an Elastizität und eine geringere Belastbarkeit des Knies. Zunächst ist meist nur der Knorpel betroffen, bei Fortschreiten der Erkrankung verschleißen aber auch die knöchernen Strukturen.


ML:  Wie merken denn die Patienten, dass es sich um eine Kniegelenksarthrose handeln kann? Wann sollten diese Patienten eine Facharztpraxis aufsuchen?

Dr. Tarek Raslan:
Die jüngeren Menschen merken es meistens, wenn sie anfangen zu joggen und dann nach vielleicht 5 bis 7 Kilometer Laufstrecke feststellen, dass ein Knie anfängt zu schmerzen. Wenn dieses Problem öfter auftritt, sollten die Ursachen in einer Facharztpraxis festgestellt werden. Mögliche Ursachen können sein, vom einfachen Beherrschen der Laufregeln über das richtige Erwärmen und Dehnen, dem Tragen passender Laufschuhe mit entsprechenden Einlagen bis hin zu Fehlbelastungen, Fußfehlstellungen, Probleme mit der Beinachse oder andere mögliche Ursachen. Hier kann nur der Arzt nach einem geführten Gespräch mit dem Patienten entscheiden, welche weiteren Untersuchungen wie Röntgen, MRT oder Ganzbeinaufnahmen gemacht werden sollen oder ob schon individuell gefertigte Einlagen, Bandagen und Physiotherapie helfen können.


ML:  In der Mehrzahl sind es aber die älteren Patienten, die über ständige Schmerzen im Knie klagen und gern wieder mehr Lebensqualität haben möchten?

Dr. Tarek Raslan:
Gerade mit den älteren Patienten ist das umfangreiche Gespräch wichtig, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wie groß sind die Schmerzen, wann treten sie auf, welche Schmerzmittel werden eingenommen, wie ist die Belastbarkeit, was will der Patient zum Beispiel mit sportlichen Aktivitäten in Zukunft noch alles tun, haben wir wirklich alle konservativen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft? Was zeigen die Röntgen- oder MRT- Aufnahmen? Wann sollte eine Kniearthroskopie oder Knieoperation durchgeführt werden?


ML:  Die Arthroskopie des Knies wird sehr oft durchgeführt. Wann wird diese durchgeführt und wie ist der Ablauf bei einer Kniearthroskopie?

Dr. Tarek Raslan:
Als Arthroskopie bezeichnet man eine Gelenkspiegelung, die meistens in ambulanter Behandlung durchgeführt wird. Das Ziel der Operation mittels Arthroskopie besteht darin, alle abgerissenen Anteile des Meniskus zu entfernen, wobei das gesunde Meniskusgewebe erhalten bleibt. Es werden nur jene Teile des Meniskus entfernt, die die Gelenkfunktion stören, die Gelenkflächen schädigen und die für die Schmerz- und Reizzustände verantwortlich sind. Darüber hinaus wird die Arthroskopie auch zur Knorpelglättung, Lösung von Kapselteilen oder Vernarbungen, zur Kreuzbandplastik (Wiederherstellung des Kreuzbandes), Entfernung der Gelenkinnenhaut oder zum Mikrofracturing (Aufbrechen des Knochens zum Einwachsen von Ersatzknorpel) durchgeführt.


ML:  Was sollte der Patient nach einer durchgeführten Kniearthroskopie beachten? Wann kann er das Knie wieder voll belasten?

Dr. Tarek Raslan:
Gleich am nächsten Tag nach der durchgeführten Arthroskopie wird der Patient wieder in die Praxis bestellt, das operierte Knie angeschaut, das Ergebnis der Operation mit dem Patienten besprochen und weitere Maßnahmen zur Mobilisierung des Kniegelenks festgelegt. Hier ist es wichtig, dass gemeinsam mit den behandelnden Physiotherapeuten die Maßnahmen spezifisch für den Patienten durchgeführt werden. Der Patient wird zu regelmäßigen Kontrolluntersuchungen in die Praxis bestellt und je nach Gesundungsverlauf ist das Knie wieder belastbar.


ML:  Wenn die Arthrose aber schon fortgeschritten ist und die knöchernen Strukturen schon in Mitleidenschaft gezogen sind und alle angewendeten konservativen Maßnahmen nicht mehr helfen, was wird dann dem Patienten empfohlen?

Dr. Tarek Raslan:
Je nach Ausmaß der Arthrose und abhängig vom Grad der Zerstörung des Kniegelenks wird entschieden, ob ein Teilersatz oder ein totaler Gelenkersatz vonnöten ist. Ist die Arthrose im Knie bereits weit fortgeschritten, ist ein künstliches Kniegelenk, die sogenannte Knieendoprothese, der letzte Ausweg. Hier ist der richtige Operationszeitpunkt gekommen, wenn die eigene Lebensqualität erheblich leidet, wenn die Beweglichkeit im Knie erheblich reduziert ist, die Schmerzen fast nicht mehr zu ertragen sind und die konservativen Maßnahmen nicht zu einer ausreichenden Besserung geführt haben – dann ist sicher der richtige Zeitpunkt für eine Knieoperation gekommen.


ML:  Wenn aber aus verschiedenen Gründen keine Operation durchgeführt werden kann oder der Patient keine Operation am Knie haben möchte, was könnte man dann noch empfehlen?

Dr. Tarek Raslan:
Man könnte bei dem Patienten das Tragen einer Knieorthese empfehlen. Gerade spezielle neue Entlastungsorthesen können eine Gelenkersatzoperation oder Umstellungsosteotomie hinauszögern. Durch die Entlastung lindert die Orthese die Schmerzen und verbessert die Kniegelenk-Funktionen.


Mehr Leben:  Herr Dr. med. Raslan, vielen Dank für dieses Gespräch.

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