Da wohnt eine Hexe unter meinem Bett

Schauspieler Christof Düro gibt „Seminare für Angehörige von Menschen mit demenzieller Veränderung“, wie er es formuliert. Er ermuntert die Anwesenden, sich in die Situation von Betroffenen hineinzuversetzen und deren Erlebniswelt einzutauchen. Das macht er – ganz Schauspieler – spielerisch. Besser gesagt nicht er, sondern die Teilnehmer. Er lässt sie in verschiedene Rollen schlüpfen: Demenzkrank, Angehöriger, Pflegekraft – und es funktioniert. Seit zehn Jahren ist Düro, der früher auch Improvisationstheater gemacht hat, ein gefragter Mentor für das Kompetenzzentrum Demenz.

Demenz ist eine Diagnose, die für Betroffene und ihre Angehörigen alles verändert. Die kleinen Dinge des Alltags werden zu einer großen Herausforderung. Der Weg durch die Wohnung ist plötzlich ein Hindernissparcours. Die Zahnbürste liegt nicht mehr am gewohnten Platz und der Schlüssel ist verschwunden, Bücher liegen im Kühlschrank und oft wissen demenziell Veränderte nicht mal mehr ihren Namen oder den Namen des geliebten Familienmitgliedes. Daher benötigen sie eine besondere, auf ihr Krankheitsbild abgestimmte, Betreuung und Pflege. Ob sie diese zu Hause, in einer Pflege-Einrichtung oder in einer Demenz-WG erhalten, ist von vielen Faktoren abhängig.

Was ist eigentlich Demenz?

Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit einem Verlust der geistigen Funktionen wie Denken, Erinnern, Orientierung und Verknüpfen von Denkinhalten einhergehen und die dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten nicht mehr eigenständig durchgeführt werden können. Die häufigste Form der Demenzerkrankungen ist die Alzheimer-Demenz („Der Alzheimer“). rund 60 % aller Demenzen werden durch eine Alzheimer-Demenz hervorgerufen. bei dieser Krankheit gehen in bestimmten Bereichen des Gehirns durch Störungen des Gleichgewichts des Botenstoffs Glutamat Nervenzellen zugrunde. bei der Behandlung der Alzheimer-Demenz ist es wichtig, die Störungen im Bereich der Botenstoffe durch Gabe von Antidementiva positiv zu beeinflussen.

Düro setzt genau da an: Die klassische Konstellation sei oft, dass es den demenziell Erkrankten, den Angehörigen und die professionelle Betreuung gäbe. Der Angehörige habe primär den Wunsch, dem demenziell Veränderten zu helfen sich in seinem „neuen“ Leben zurecht zu finden. Die Pflegekraft stehe hier unterstützend zur Seite. Was der Erkrankte genau will, wissen wir nicht. Meist befindet sich derjenige in Erlebnissen aus seiner Vergangenheit, also auch frühesten Jugend und/oder Kindheit. Es ist daher wichtig, viel aus dem Leben desjenigen zu wissen.

Er ermutigt die Menschen durch Improvisation neue Ansätze zu sehen und sich ein Stück weit mit ihren persönlichen Befindlichkeiten zurückzunehmen, auch wenn es schwer falle. Nicht mehr von dem geliebten Menschen erkannt zu werden ist „hart". Angehörige müssen mit in die Erlebniswelt eintauchen - mit Aggression zu reagieren, wäre in diesem Fall fatal und kontraproduktiv.

Bundesweit bietet er Seminare mit dem Namen: Kreativ und spielerisch im Umgang mit Menschen mit demenzieller Veränderung. „Alles, was wir tun, ist Geschichten zu erzählen! Wenn der demenziell Veränderte der Meinung ist: »Da wohnt eine Hexe unter meinem Bett«, dann ist das eben so. Lassen Sie sich auf die Geschichte ein.“ Die betroffenen Menschen sind in ihrem eigenen Film. Das können komische, aggressive, aber auch traurige Momente sein, so Düro. „Wir – scheinbar normalen – müssen in die Kommunikationswelt des demenziell Veränderten eintauchen, also wir müssen uns verrücken. Alles was der Demenzielle sagt, hat eine Richtigkeit. Sie sind Menschen, die jetzt in einer anderen Welt gelandet oder auf dem Weg in eine andere Welt sind – wir wissen nicht, ob diese Welt besser ist als unsere.“

„Demenz – das ist wie sterben auf Raten. Wenn diese Krankheit los geht, weißt du, dass in ein paar Jahren dieser Mensch nicht mehr der sein wird, den du mal geliebt hast, der mal dein Vater, deine Mutter oder sonst wer war, und ich glaube, dass wir lernen müssen, zu Lebzeiten zu trauern und Abschied zu nehmen. So lange wir Erwartungen haben, fällt das wahnsinnig schwer. Zum Beispiel, weil ich hoffe, dass mein Vater vielleicht doch noch mal so wird, wie er mal war. Leider führt oft genau diese Erwartungshaltung zu Enttäuschungen. Es ist leichter, in einem Ritual Abschied zu nehmen als von einem Menschen, der körperlich noch lebt, aber dessen Seele, Geist und Verstand auf einem anderen Weg sind. Die Regeln, die wir ein Leben lang hatten, gelten plötzlich nicht mehr.“

Ihm gehe es darum, paradox und verrückt reagieren zu können, sagt Düro. Das kann manchmal sehr helfen. Er nennt es „Prinzip der Achtsamkeit“: Wer achtsam für eigene Bedürfnisse ist, sei es ebenso für die Bedürfnisse anderer. Dazu gehören auch konfliktreiche Momente. Die Zahl der Demenz wird aufgrund des demographischen Wandels weiter steigen und damit natürlich auch die Anforderungen an die pflegenden Menschen steigen.

Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sprängen häufig Angehörige ein, wenn Demenzkranke mit ihrem Alltag überfordert seien. Dabei wissen viele nicht, dass sie von den Betroffenen bevollmächtigt oder als rechtliche Betreuer vom Gericht eingesetzt werden könnten. Nur dann dürften sie die Angelegenheiten ihrer kranken Angehörigen rechtswirksam in deren Sinn regeln.

Je früher Ihr kranker Angehöriger oder Ihre kranke Angehörige Sie bevollmächtigt hat, seine oder ihre finanziellen, rechtlichen oder persönlichen Angelegenheiten zu regeln, desto wahrscheinlicher ist, dass die Vollmacht auch wirksam ist. Denn Menschen mit Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz müssen noch voll geschäftsfähig sein, um eine rechtswirksame Vollmacht auszustellen. Auch die Frage, wie sich Demenzkranke ihre medizinische und pflegerische Betreuung vorstellen, spielt eine wichtige Rolle bei der Zukunftsvorsorge. Sprechen Sie deshalb möglichst schon kurz nach der Diagnose über vorhandene Wünsche und Erwartungen und darüber, inwiefern Sie unterstützen können und wollen.

Weitere Infos erhalten Sie auf:
www.playful-thinking.de
www.wegweiser-demenz.de/informationen/betreuung-und-pflege
www.famev.de/demenz-wgs
www.wg-qualitaet.de

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