Die helfende Hand: Präzision und Kraft vereint

Die Hand eines Menschen besteht aus 27 verschiedenen Knochen, wird von drei Nerven versorgt, besitzt 39 Muskeln, 36 Gelenke und über 17.000 Nervenrezeptoren. Aufgrund ihrer Anatomie lässt die Hand gezielte, feinfühlige Bewegungen zu. Dieses komplexe Gebilde ermöglicht es uns, nach Dingen zu greifen, zu fühlen, zu schreiben, verschiedene Handwerke auszuüben, Klavier zu spielen, uns irgendwo festzuhalten und vieles, vieles mehr. Nicht mal unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, können ihre Hände so nutzen wie wir.
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Die Fähigkeit des aufrechten Ganges brachte den entscheidenden Evolutionsvorteil, denn die Hände wurden nicht mehr nur zur Fortbewegung genutzt, sondern wurden universell einsetzbar. Durch diese Gegebenheit veränderte sich im Laufe der Zeit auch die Anatomie der Hand der Urmenschen, bis sie mit dem Daumen alle vier Fingerspitzen berühren konnten und dadurch die Grundlage für präzises Arbeiten geschafft wurde. Gehirn und Hände gewannen an Feingefühl und Fertigkeit.

In der Regel ist der Daumen der kürzeste Finger der Hand, der im Gegensatz zu den übrigen Fingern aus zwei, statt aus drei Fingerknochen besteht. Durch die Möglichkeit seiner sogenannten „Oppositionsbewegung“ ist er essenziell für Greifbewegungen. Seine große Beweglichkeit wird im Grunde durch das Zusammenspiel von zwei Gelenken beeinflusst: dem Daumensattelgelenk und dem Daumengrundgelenk. Im Gegensatz zu den anderen Fingern kann der Daumen einen Gegendruck ausüben und dadurch den Griff der Hand schließen. Seinen Namen hat der Daumen durch das germanische Wort thuman-, wörtlich „besonders stark/kräftig“ erhalten. – So hat jeder Finger an der menschlichen Hand seine Aufgabe: Der Zeigefinger kann, ähnlich wie der Daumen, relativ unabhängig bewegt werden. Daher ist er der Finger, mit dem reflexartig auf sich, andere, auf Dinge, und in Richtungen etc., gezeigt wird. Beim Schreiben führt er den Stift. Der Mittelfinger ist üblicherweise der längste. Er spielt eine große Rolle beim Greifen, weil auf ihm oft der Schwerpunkt liegt. Der Ringfinger wird meist zusammen mit anderen Fingern eingesetzt. Nur beim 10-Finger-Tippen oder Spielen von Instrumenten wird er gesondert benutzt. In der Antike waren Menschen der Annahme, dass von hier ein Nerv direkt zum Herzen, ins Zentrum der Liebe läuft, und deshalb trugen sie an diesem Finger Liebesringe. Das Abspreizen des kleinen Fingers galt früher in feineren Kreisen als elegant, weshalb er auch heute noch als „Gesellschaftsfinger“ bekannt ist. In belgischen Kneipen wird mit dem kleinen Finger Bier bestellt, die restlichen Finger geben die Anzahl an.

Charakteristisch für die Handfläche ist eine robuste Sehnenplatte, welche vor Verletzungen schützt und einen festen Griff erlaubt. In der Haut, die die Hand umgibt, liegen Tausende von Nervenrezeptoren, die uns unser Feingefühl ermöglichen und über Schmerz, Hitze und Kälte informieren. Die sogenannten Fühlkörperchen in der Handinnenfläche nehmen Berührung, Druck, Dehnung und Vibration wahr. Es ist genau dieses Zusammenspiel aus Gefühl und Beweglichkeit, Präzision und Kraft, welches die Hand so besonders macht. Auch die Entwicklung technischer Geräte und Hilfsmittel wird seit jeher an die menschliche Anatomie angepasst.

Technologien in der Hand

Dass unsere menschliche Hand alles andere als leicht zu imitieren ist, zeigt sich, wenn bei einem Unfall Verletzungen mit Verlust von Fingern oder der ganzen Hand auftreten. Glücklicherweise ist die Technik hier voran geschritten.

Seeger - Das Gesundheitshaus – verfügt sogar über einen eigenständigen Fachbereich zum Thema Armprothetik, worunter auch die Handprothetik fällt.

Orthopädietechniker arbeiten an der Herstellung von funktionellen und individuell angepassten Armprothesen, welche auf alle Versorgungsebenen von der Schulter- bis zur Teilhandprothese spezialisiert sind. Bei der Fertigung moderner Armprothesen kommen komplexe elektronische Steuerungssysteme und vielfältige moderne Materialien zum Einsatz, wobei viele Arten unterschieden werden können.

Myoelektrische Armprothesen sind Fremdkraftprothesen. Hierbei werden biochemische Prozesse des Körpers genutzt. Bei jeder Kontraktion eines Muskels entsteht eine elektrische Spannung im Mikro-Volt-Bereich, die auf der Haut gemessen werden kann, welche zur Steuerung der Prothese genutzt wird. Sie können durch die Steuerungsimpulse die Hand öffnen, schließen und drehen. Durch diese prothetische Versorgung soll ein weitestgehend unabhängiges Alltagsleben ermöglicht werden, wobei Griffkraft und Griffgeschwindigkeit dabei von entscheidender Bedeutung sind.

Passive Armprothesen sind im Gegensatz zu myoelektrischen Armprothesen in Bezug auf das Erscheinungsbild der Hand eher „naturnah“. Dafür sind sie in ihren funktionellen Möglichkeiten auf ein einfaches Gegenhalten bei der Handhabung eines Gebrauchsgegenstandes beschränkt. Um eine individuelle Anpassung zu ermöglichen, können Patienten zwischen Handtyp und Farbnuance wählen.

Zugbetätigte Armprothesen sind Eigenkraftprothesen. Dabei handelt es sich um sogenannte aktive Greifarme, bei denen die Prothesenfunktionen über die eigenen Körperkräfte gesteuert werden. Die Greifkomponenten wie Hand bzw. Hook sind austauschbar. Die Bewegung wird über eine Kraftzugbandage an der Prothese eingeleitet.

Einsatzbereiche einer kraftzuggesteuerten Versorgung sind z.B. handwerkliche Tätigkeiten, da die Prothesenkomponenten sehr robust und unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Stößen sind.

Hybrid-Prothesen sind eine Kombination aus myoelektrisch- und zugbetätigten Prothesen. Bei dieser Art von Prothesen kann eine Hand myoelektrisch gesteuert und ein Ellbogengelenk mittels Kraftzugbandage entriegelt oder verriegelt werden. Die Bedürfnisse der Betroffenen gehen mittlerweile weit über das Öffnen und Schließen der Hand hinaus. Hybrid-Prothesen ermöglichen viele Dinge gleichzeitig. Ist man aufgrund einer Verletzung, einer motorischen Störung oder gar einer Erkrankung eingeschränkt, fallen viele Dinge des täglichen Lebens sehr schwer, die wir normalerweise mit beiden Händen ganz schnell erledigen können. Gerade in der kalten Jahreszeit, zu Weihnachten und Silvester treten Handverletzungen gehäuft auf.

Dazu im Gespräch mit ... Herrn Dr. med. Holger Keller, Facharzt für Orthopädie, Chirurgie/Unfallchirurgie und D–Arzt

Wer seine Hände nicht mehr richtig bewegen kann, empfindet dieses als eine sehr große Belastung. Wer aber nicht mehr greifen kann, bekommt die Tücken des Alltags schmerzlich zu spüren und ist manchmal sogar auf die Hilfe Dritter angewiesen. Das muss nicht sein. In einigen Fällen kann die Ursache durch einen kleinen chirurgischen Eingriff schnell behoben werden.


Mehr Leben:
Die kalte Jahreszeit, – der Winter, steht vor der Tür. Mit Beginn des Winters nehmen die Sturzunfälle durch Schnee- und Eisglätte wieder zu. Welche Verletzungen an der Hand treten besonders auf?

Herr Dr. med. Keller:
In unserer Praxis, die zum Verbund der ÜBAG - Dr. med. Tankred Haase und Partner - gehört, behandeln wir alle Patienten mit chirurgischen/ unfallchirurgischen und orthopädischen Erkrankungen. Durch meine Ausbildung und meine Erfahrungen aus Klinik und Praxis haben wir uns am Standort Friedrichshain besonders auf die Handchirurgie spezialisiert. Viele Stürze im Winter führen zu Brüchen am Handgelenk und anderen Lokalisationen der Hand; diese können wir oftmals ambulant, falls notwendig, auch operativ versorgen. Aber auch viele Sportverletzungen treten besonders bei den Ballsportarten an der Hand auf. Diese gilt es, besonders frühzeitig beim Facharzt zu behandeln. Oftmals werden auch Gelenkverstauchungen, z.B. am Finger, nicht ernst genommen und sehr spät vorgestellt. Diese Behandlungen sind dann oftmals sehr langwierig und können teilweise bleibende Probleme hinterlassen.

ML: Viele Probleme an der Hand treten aber nicht nur nach Unfällen auf, viele Krankheitsbilder entwickeln sich wahrscheinlich langsam. Treten diese Erkrankungen häufiger auf und um welche Indikationen handelt es sich dabei besonders?

Dr. med. Keller:
Meine Erfahrungen besagen, dass die Erkrankungen an der Hand nicht häufiger werden. Sehr häufig behandeln wir den „schnellenden Finger“, das Karpaltunnelsyndrom und die Dupuytrensche Kontraktur. Beim „schnellenden Finger“ springt der Finger oder Daumen nach anfänglichem Festhaken in die Streckposition zurück. Das Karpaltunnelsyndrom ist eine „Nerveneinengung“ an der Hand und die Dupuytrensche Kontraktur ist durch wucherndes Bindegewebe unter der Haut gekennzeichnet. Diese Symptome werden oftmals zu lange unbehandelt gelassen und die Patienten suchen nicht rechtzeitig den Facharzt auf. Hier können die entsprechenden Operationen zeitnah durchgeführt werden und der Patient wird schnell und erfolgreich beschwerdefrei.

Schnellender Finger (Tendovaginitis stenosans): Hierbei handelt es sich um eine Sehnenscheidenentzündung der Beugesehnen der Hand.
Ursache: Überbelastung
Betroffen: Sportler, Klavierspieler oder Personen, die viel am Computer arbeiten.

ML: Wie erkennt der Patient bestimmte Krankheitsbilder und welche Untersuchungen werden durchgeführt?

Dr. med. Keller:
Zum Bespiel hat das Karpaltunnelsyndrom charakteristische Beschwerden: Hier kommt es zu Gefühlsstörungen (einschlafende Finger bzw. Hände) bei bestimmten Tätigkeiten (Fahrrad fahren, telefonieren) oder in der Nacht. Ein erfahrener Facharzt kann hier oftmals schon nach einer Anamnese und einer klinischen Untersuchung die Diagnose eindeutig stellen. Zusätzlich können manchmal neurologische Untersuchungen notwendig sein. In den meisten Fällen bringt dann eine Operation eine schnelle Besserung und Heilung. Auch sichtbare Veränderungen an den Händen, Einschränkungen der Beweglichkeit oder auch auftretende Schmerzen weisen auf verschiedene Krankheitsbilder hin.

Karpaltunnelsyndrom (Brachialgia paraesthetica nocturna): Hierbei handelt es sich um ein Engpasssyndrom des Nervus medianus im Bereich der Handwurzel.
Ursache: Überanstrengung, Diabetis mellitus, Trauma, Gewichtszunahme etc.
Betroffen: alle, häufiger Frauen

ML: Wie wird der Patient auf eine bevorstehende Operation an der Hand vorbereitet?

Dr. med. Keller:
Nach den gründlichen Untersuchungen wird der Patient über den Ablauf und die Vorgehensweise der Operation aufgeklärt und alle notwendigen Fragen werden erörtert. Die meisten Erkrankungen an der Hand können ambulant operiert werden. Dazu ist es aber notwendig, unter standardisierten handchirurgischen Bedingungen zu operieren. Hier am Standort Friedrichshain verfügen wir über hervorragende Bedingungen und an meiner Seite arbeitet ein qualifiziertes und erfahrenes Team. Unter schonender Vollnarkose und in einer sogenannten Blutleere wird unter Lupenbrillensicht die Operation vorgenommen. Dadurch kann das Risiko der Operation auf ein Minimum reduziert werden. Nach der Operation wird der Patient dann im Aufwachraum überwacht und betreut und kann nach ca. 2 Stunden privat durch Verwandte/Bekannte oder durch den Krankentransport abgeholt und nach Hause gefahren werden.

Dupuytrensche Kontraktur (Morbus Dupuytren): Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung des Bindegewebes der Handinnenfläche.
Ursache: unklar
Betroffen: häufig Männer über 40 mit Leberschäden

ML: Wird das Ergebnis der Operation kontrolliert, wann sollte sich der Patient wieder in der Praxis bei Ihnen vorstellen?

Dr. med. Keller:
Am ersten Tag nach der Operation möchte ich den Patienten wiedersehen. Das ist einer der Vorteile für den Patienten bei ambulanter Operation. Er kennt seinen behandelnden Arzt vor der Operation, er weiß, wer und wie die Operation durchgeführt wird, und er weiß auch, dass dieser Arzt ihn nach der Operation kontrolliert und weiter behandelt. Nach meistens 3 bis 4 Wochen ist die Hand wieder voll gebrauchsfähig. Als unterstützende Maßnahme werden zur Ruhigstellung zeitlich begrenzt Orthesen oder Bandagen verordnet. In manchen Fällen sind auch physio – oder ergotherapeutische Behandlungen notwendig.

Gicht (Arthritis urica): Hierbei handelst es sich um eine durch Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut bedingte schmerzhafte Erkrankung der Gelenke
Ursache: Sie wird durch Einlagerung von kristallisierten Salzen der Harnsäure in den Gelenken ausgelöst.
Betroffen: alle, häufig Männer ab 30 Jahre

ML: Das Jahresende steht vor der Tür und zu Silvester werden wieder viele Raketen und Feuerwerk gezündet. Was sollte aus der Sicht eines Handchirurgen dabei besonders beachtet werden?

Dr. med. Keller:
Wenn man die hier gekauften Knaller und Raketen so verwendet wie vorgeschrieben, können kaum Verletzungen an der Hand auftreten. Aber manche kaufen nicht geprüftes Material im Ausland oder wollen ihr Feuerwerk sogar selbst bauen, schon dabei können durch ungewollte Explosionen schwerste Verletzungen mit Verlust von Fingern oder der ganzen Hand auftreten. Ansonsten drohen beim Zünden von ausländischem Feuerwerk auch schnell erhebliche Verbrennungen der Hände bzw. Explosionsverletzungen. Hier kann dann nur durch sofortige medizinische Behandlung in Notfallambulanzen und in spezialisierten Einrichtungen in Kliniken, gegebenenfalls durch die Replantationschirurgie, geholfen werden. Leider hatten wir auch in diesem Jahr wieder mehrere Fälle dieser Art in unserer Nachbetreuung. Am besten: Hände weg von hochexplosiven Material!


Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.


Dr. med. Holger Keller finden Sie im

Ärztehaus Berlin-Friedrichshain
Landsberger Allee 44
10249 Berlin

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